Justament-Klassiker: Alexas Tagebuch, September 2003
Liebes Tagebuch,
jetzt beginnt wieder diese bittere Zeit. Diese Zeit des Lernen-Müssens und Nicht-Lernen-Wollens. Diese Zeit des schlechten Gewissens und die Zeit der vielen Stunden in der Bibliothek, in denen man sich fragt: Warum in aller Welt habe ich mich eigentlich für die juristische Ausbildung entschieden? Geht es eigentlich auch Studenten anderer Fachbereiche so oder ist das ein typisches Juristen-Phänomen? Ich glaube, zu keiner Zeit unseres Lebens stellen wir uns so viele Sinn-Fragen, wie in der Vorbereitung des Examens. Zu keiner Zeit vergießen wir so viele Tränen, gehen so oft zum Arzt, putzen so gründlich unsere Wohnung und reden so viel mit Freunden darüber, wie man eigentlich am besten lernt, anstatt es einfach zu tun.
Dazu kommt, dass wir in den letzten Monaten von Ausbildern gequält worden sind, klein gehalten wurden und uns wie dumme kleine Wichte gefühlt haben. Die Moral ist also ohnehin nicht so gut. Ist es eigentlich eine Art Volks-Sport, Referendare schlecht zu behandeln? Ich bin ja bisher noch ganz gut weggekommen, außer dass ich meinen Ausbilder in der letzten Station tatsächlich insgesamt nur ungefähr 3 Stunden zu Gesicht bekommen habe. Andere hätten sich darüber wahrscheinlich gefreut – ich fand’s irgendwie unbefriedigend (Bin ich spießig?). Aber natürlich allemal besser, als sinnlos seine Zeit abzusitzen, als als Kaffee-Kocher und Akten-Träger missbraucht zu werden oder sich von frustrierten Staatsanwälten die Akten um die Ohren hauen zu lassen. Ja, es gibt tatsächlich Ausbilder, die ihre Referendare anbrüllen. Merkwürdig. Ob aus uns auch eines Tages solche frustrierten Verwaltungs-Schimmel werden? Hoffentlich nicht. Aber da sind sie wieder, die Sinn-Fragen. Ich könnte schon längst Mutter zweier, nein dreier Kinder sein. Ich könnte in einem Beruf schon in wenigen Monaten so viel Geld verdient haben, wie ich während meiner gesamten Referendarzeit jetzt nicht bekomme. Aber vielleicht lohnt es sich ja doch, vielleicht kommt ja doch eines Tages dieser Aha-Effekt oder dieser Stolz auf das, was geschafft worden ist oder doch der Gedanke: Es war gut so. Ich bereue es nicht. Hoffentlich!
Deine Alexa