Justament-Klassiker: Alexas Tagebuch, Oktober 2003
Liebes Tagebuch,
was für Jobchancen habe ich eigentlich als angehende Juristin? Sind sie besonders gut, weil ich ein Mädchen bin? Oder sind sie gerade deswegen besonders schlecht?
Muss ich besser sein als jeder Mann und dann auch noch rasend gut aussehen, um in einer großen Kanzlei zu landen? Muss ich eidesstattlich versichern, dass ich mich habe sterilisieren lassen, damit die „Gefahr“ Schwangerschaft definitiv ausgeschlossen werden kann? Oder reicht es, wenn ich mit sieben Punkten dort aufschlage und den Entscheidungsträger mit der richtigen Technik bearbeite?
Mein Staatsanwalt hat mir auf jeden Fall einen „jewissen Charme“ attestiert, und wir frotzelten darüber, dass ich diesen auch in der Mündlichen einsetzen müsste, um die schriftlichen Noten auszubügeln. Wird das wirklich so sein und, meinte der das ernst? Meinte ich das ernst? Reicht es nicht, wenn ich meine grauen Zellen anstrenge?
Wie wäre es eigentlich, wenn Prüfer so blind wären wie Justitia? Würden dann mehr Frauen durchs Staatsexamen fallen, weil sie ihr „jewisses“ etwas nicht mehr einsetzen könnten? Männer behaupten, Frauen bekämen einen Bonus in der mündlichen Prüfung. Frauen behaupten, sie würden schlechter behandelt, weil alle Prüfer männlich sind und denken, dass Frauen ja eigentlich hinter den Herd gehörten und nicht ins Gericht.
Wie kann ich nun meine Berufschancen steigern? Soll ich weiter in meine Ausbildung oder lieber – wie jüngst in der Financial Times angeraten – in eine neue Nase investieren? Die Nase ist eigentlich ganz o.k., aber an anderen exponierten Stellen könnte man noch arbeiten.
Nichts als Fragen. Es bleibt mir wohl nur übrig, abzuwarten und auf faire Arbeitgeber zu hoffen. Oder ich verbinde Kopf und Körper zu einer unschlagbaren Einheit und kriege so doch, was ich möchte. Weil ich ein Mädchen bin.
Deine Alexa