Geschwisterliebe

Recht cineastisch, Teil 19: „Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf

Thomas Claer

die-geliebten-schwesternWas ist denn das schon wieder für eine Männerphantasie? Ein noch wenig bekannter und in prekären finanziellen Verhältnissen lebender Dichter um die dreißig wird von zwei bildhübschen adeligen jungen Damen heiß begehrt, die noch dazu Schwestern sind und nicht nur alle ihre Geheimnisse, sondern auch ihre Leidenschaft für den jungen Mann miteinander teilen. Und es bleibt auch keineswegs beim bloßen Begehren, ganz ausdrücklich ist im Film von einer „Vertiefung“ der so vielfach bekundeten Freundschaft beider Mädchen mit dem Dichter die Rede, die dann auch noch jeweils ausgiebig vollzogen wird. Bemerkenswerterweise entsteht dadurch keinerlei Eifersucht zwischen den Beteiligten. Eine gelebte Utopie der freien Liebe gewissermaßen, und das 180 Jahre vor Rainer Langhans, Uschi Obermaier und der Kommune 1! Davon handelt „Die geliebten Schwestern“, der neue Kostümfilm von Dominik Graf, in dem die überaus pikante Menage-a-trois des späteren Großschriftstellers Friedrich Schiller (Florian Stetter) mit Caroline (Hannah Herzsprung) und Charlotte (Henriette Confurius) von Lengefeld geschildert wird. Ob sich die Dinge damals, in den Jahren 1787 ff., tatsächlich so abgespielt haben, ist zwar in der Schiller-Forschung noch nicht restlos geklärt, doch gibt es schwerwiegende Hinweise, die eine Deutung, wie der Film sie suggeriert, sehr nahelegen. Insbesondere existieren spärliche Überbleibsel des anscheinend äußerst regen Briefverkehrs zwischen den drei zentralen Gestalten: Seinerzeit schrieben sie sich, wann immer sie ihre Zeit nicht gemeinsam verbringen konnten, mehrmals täglich und meist ausführlich munter im Dreieck. Was allerdings feststeht, ist der Umstand, dass Friedrich Schiller die jüngere der Schwestern, Charlotte, 1790 ehelichte, wobei aber Grund zur Annahme besteht, dass er doch eigentlich eine Spur mehr Gefallen an der älteren, Caroline, gefunden hatte. Da diese aber ihrerseits bereits unglücklich verheiratet war (eine „Vernunftehe“ mit einem reichen Langweiler), übernahm die jüngere Charlotte den Part der Ehefrau, um ein dauerhaftes Beieinanderbleiben der drei Liebenden zu ermöglichen.
Natürlich konnte das nicht ewig gutgehen. Als nach ein paar Jahren Kinder ins Spiel kommen, deren Urheberschaft – zumindest in Carolines Fall – nicht eindeutig aufzuklären ist, bricht mit der Zeit erbitterte Feindschaft und rasende Eifersucht zwischen den einst so mustergültig miteinander harmonierenden Schwestern aus. Wüste Beschimpfungen werden ausgetauscht, Porzellan durchs Zimmer geworfen und zerbrochen. Kurz, sie verhalten sich dann doch noch wie ganz normale Menschen. Ein sehenswerter Filmgenuss mit einer umwerfenden Hannah Herzsprung.

Die geliebten Schwestern
Deutschland 2014
Regie: Dominik Graf
Drehbuch: Dominik Graf
170 Minuten, FSK: 6
Darsteller: Hannah Herzsprung, Florian Stetter, Henriette Confurius u.v.a.

Veröffentlicht von on Sep. 8th, 2014 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT CINEASTISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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