Ergreifendes Gejaule

Die neue Björk-CD “Vulnicura”

Thomas Claer

bjork-coverReichlich befremdlich ist es, den Klängen von „Vulnicura“ zu lauschen, Björks neuer Veröffentlichung, auf der die unvergängliche Popprinzessin aus Island – wie es heißt – die Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem amerikanischen Installations- und Performancekünstler Matthew Barney, künstlerisch verarbeitet. Es ist, so kommt es einem zumindest beim ersten flüchtigen Durchhören vor, ein einziges Heulen und Wehklagen. Nun mag man es grundsätzlich problematisch finden, wenn eine Sängerin ihr Privatleben derart öffentlich ausstellt. Doch wem, wenn nicht Björk, würden wir selbst so etwas immer wieder verzeihen. Lässt man sich nämlich erst einmal näher auf dieses merkwürdige Album ein, so ist man am Ende doch wieder hin und weg von der emotionalen Intensität dieser Dame (die übrigens in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag begehen wird). Glücklicherweise fehlen diesmal die allzu überladenen Programmierungen des wenig überzeugenden Vorgänger-Albums „Biophilia“ und der ganze Multimedia-Schnickschnack. Die Arrangements der Songs sind im Wesentlichen auf Streicher und Computerdrums reduziert. So steht mehr denn je Björks noch immer überwältigende Stimme im Vordergrund, was manchen Liedern des Albums sehr gut tut, in anderen aber, insbesondere wenn mehrere Tonspuren übereinandergelegt sind und auch noch weiblicher Chorgesang ins Spiel kommt, eher bedenklich ist. Die CD beginnt mit „Stonemilker“ und „Lionsong“, zwei gelungenen Popsongs, die ziemlich viel von dem enthalten, wofür wir Björk über die Jahre so abgöttisch geliebt haben. Höhepunkt des Albums ist dann das einfach nur ergreifende „Black Lake“, in das Björk all ihren tiefen schönen Schmerz legt. Passend hierzu posiert sie auf der Cover-Abbildung mit aufgeschlitztem Brustkorb, als hätte ihr jemand das Herz aus dem lebendigen Leibe herausgerissen und nur eine klaffende Wunde zurückgelassen. Was muss dieser Matthew Barney, mit dem sie jetzt gerichtlich über das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter streitet, bloß für ein Mistkerl sein, denkt man sich. Andererseits kann man es sich aber auch gut vorstellen, wie anstrengend es sein muss, eine Frau wie Björk immer um sich zu haben… Jedenfalls lässt das Album in der zweiten Hälfte dann doch etwas nach. Insbesondere der Song „Mouth Mantra“, schon der Name spricht Bände, kann einem mächtig auf den Zeiger gehen. Dennoch lautet das Urteil: voll befriedigend (11 Punkte).

Björk
Vulnicura
Embassy of Music 2015
5054196551827 Ic 24833

Veröffentlicht von on Apr. 27th, 2015 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

Hinterlassen Sie einen Kommentar!