„Der einzig verbleibende Fürsprecher“

Rechtsanwalt Wolfgang Reich

Rechtsanwalt Wolfgang Reich

Im Gespräch mit Rechtsanwalt Wolfgang Reich, Strafverteidiger in Frankfurt am Main,  über seine Erfahrungen mit Referendar(inn)en, über Honorarfragen, regionale Unterschiede im Verhalten vor Gericht und über das, was den Beruf des Strafverteidigers bei aller Belastung lohnenswert macht.

 

Martina Weber

Wolfgang Reich (37) studierte Rechtswissenschaften seit dem Jahr 2000 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Er arbeitete als selbstständiger Rechtsanwalt, zunächst in eigener Kanzlei, dann in einer Bürogemeinschaft und inzwischen mit seinem Kollegen Georg Grimm in einer Sozietät in Frankfurt am Main. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Strafrecht und Arbeitsrecht.
Justament: Wenn eine Jurastudentin im siebten Semester Sie fragen würde, wie sie sich am besten auf ihren Traumberuf „Strafverteidigerin“ vorbereiten könnte, was würden Sie ihr raten?

Wolfgang Reich: Ob Strafverteidiger ein Traumberuf ist mag jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst empfinde diesen Beruf keineswegs als Traumberuf, zum einen sind die Verdienstmöglichkeiten keineswegs gut und zum anderen kann die persönliche Belastung erheblich sein. Auf der Universität kann man sich auf diesen Beruf nicht wirklich vorbereiten. Selbstverständlich sind fundierte juristische Kenntnisse Voraussetzung für den Beruf und es ist empfehlenswert, in der Anwalts- und der Wahlstation Erfahrungen zu sammeln. Aber worauf es wirklich ankommt, das ist ein gewisses Einfühlungsvermögen in die Situation von Menschen mit völlig anderen Lebensentwürfen. Hierfür brauchen Sie Kenntnisse in Gesprächsführung, Fragetechniken und Psychologie. Als Strafverteidigerin haben Sie es insbesondere bei inhaftierten Mandanten mit Menschen in gravierenden psychischen Ausnahmesituationen zu tun. Hier ist einfühlsames Verhalten gefragt. Hervorragende Kenntnisse im Strafrecht sind dabei sekundär.
 
Justament: Welche Erfahrungen haben Sie mit ReferendarInnen gemacht, die ihre Anwalts- oder Wahlstation bei Ihnen gemacht haben?

Wolfgang Reich: Oft hatte ich den Eindruck, dass völlig falsche Vorstellungen von der Tätigkeit des Verteidigers bestehen. So muss ich immer wieder darauf hinweisen, dass der Verteidiger keineswegs für seinen Mandanten lügen darf. Der einzige Mensch, der in einer Hauptverhandlung lügen darf, ist der Angeklagte selbst. Für den Verteidiger gilt hingegen: 1.: Alles, was der Verteidiger sagt, muss wahr sein. Und 2.: Nicht alles, was der Verteidiger weiß, darf er auch sagen. Hierbei die richtige Entscheidung zu treffen, ist oft schwierig. Schlägt doch jederzeit das Damoklesschwert der Strafvereitelung über dem Strafverteidiger.
 
Justament: Welches sind Ihre Eindrücke von ReferendarInnen, die als Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft auftreten?

Wolfgang Reich: Meistens haben sie sich im Rahmen des Aktenstudiums gut auf die Sache vorbereitet. Jedoch mangelt es in vielen Situationen an dem bereits angesprochenen Einfühlungsvermögen für die konkrete Situation und den vor Gericht stehenden konkreten Menschen. Ich selbst habe öfter erlebt, dass ReferendarInnen eine verfahrensbeendende Absprache hinausgezögert haben, um den Angeklagten noch zu gewissen Äußerungen zu bewegen, die sie für erforderlich erachtet haben, um die so genannte Einsicht in die angeklagte Straftat erkennen zu können. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man zum Teil auf meinen Mandanten verbal herum gehackt hat, um diese ein wenig zu quälen. ReferendarInnen sollten sie immer vor Augen führen, dass ein Mensch, der als Angeklagter vor Gericht steht, sich in aller Regel in einer Ausnahmesituation befindet. Dieser Mensch ist in aller Regel voller Ängste vor den Konsequenzen, die ihm drohen. Nicht selten ist auch ein solcher Mensch, je nach dem angeklagten Delikt, auch voller Schamgefühl.

Justament: Kommt es oft vor, dass MandantInnen Sie anlügen?

Wolfgang Reich: Mandanten belügen den eigenen Anwalt sehr häufig. Dies geht sicherlich auch mit der Grundhaltung einher, dass der eigene Anwalt einen besser verteidigt, wenn er selbst an die Unschuld seines Mandanten glaubt.

Justament: Gibt es Strafrechtsmandate, die Sie prinzipiell ablehnen?

Wolfgang Reich: Ich lehne grundsätzlich erst einmal niemanden ab, der um meine Hilfe ersucht. Dies muss im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Ich selbst würde mich jedoch sicherlich im Bereich der rechtsextremistischen Straftaten schwer tun und im Zweifel ein solches Mandat ablehnen.
 
Justament: Stimmt es, dass Pflichtverteidigungen unter Strafverteidigern wenig beliebt sind, weil sie weniger Honorar bringen?

Wolfgang Reich: Nein, diese Mandate bedeuten eine sichere Honorareinnahme. Durch die Anhebung der anwaltlichen Vergütung im Rahmen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wurden auch die Vergütungsmöglichkeiten im Rahmen der Pflichtverteidigung erheblich verbessert.

Justament: Da Sie das Problem des sicheren Honorars angesprochen haben: Wie sieht es damit aus? Verlangen Sie grundsätzlich einen Vorschuss? Legen Sie das Mandat nieder,
wenn der Mandant den Vorschuss nicht zahlen kann?

Wolfgang Reich:  Es gibt im Strafrecht keine Prozesskostenhilfe. Es gibt lediglich die Pflichtverteidigung im Bereich schwereren Straftaten, sowie nach den Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Strafprozessordnung. Sollte eine Beiordnung nicht möglich sein, muss der Mandant den Anwalt selbst bezahlen. Ich nehme ausnahmslos und immer einen Vorschuss. Man sollte sich immer vor Augen halten, dass beispielsweise ein Mandant, der wegen Betruges angeklagt ist, auch ohne weiteres überlegen und ohne zu zögern auch seinen eigenen Anwalt betrügen wird. Wenn der Mandant überhaupt keinen Vorschuss nach mehrmaliger Aufforderung zahlt, lege ich auch grundsätzlich das Mandat nieder. Gerade in Haftsachen ist es so, wenn der Mandant einmal aus der Haft entlassen wurde und die Sache abgeschlossen ist, man diesen in den meisten Fällen nie wieder sieht. Folglich bliebe man ohne Vorschuss auch auf seiner Honorarforderung sitzen.
 
Justament: Sie haben Erfahrung darin, in verschiedenen Regionen vor Gericht aufzutreten. Welche regionalen Unterschiede im Verhalten von RichterInnen, StaatsanwältInnen und AnwältInnen sind Ihnen aufgefallen?

Wolfgang Reich: Es ist in der Tat so, dass in verschiedenen Gerichtsbezirken das Verhalten von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten höchst unterschiedlich ausfällt. So ist mir immer aufgefallen, dass die Verhandlungsatmosphäre in Frankfurt am Main, auch zwischen Kolleginnen und Kollegen, höchst angespannt ist. Dies ist zwar nicht in jedem Verfahren der Fall, ist aber diese schlechte Verhandlungsatmosphäre auch bei auswärtigen Kollegen bekannt. Viele Kollegen berichten von schlechten Erfahrungen in Bayern. Dort wiederum ist man mir bislang immer mit Sachlichkeit und der notwendigen Höflichkeit begegnet.

Justament: Wenn ich mich an meine Referendariatszeit erinnere, kann ich mir gut vorstellen, wie belastend die dauerhafte Arbeit im Strafrecht sein kann. Betrachten wir die andere Seite: Nennen Sie mir bitte einige Vorteile, die Ihr Beruf als Strafverteidiger mit sich bringt!

Wolfgang Reich: Kaum ein sonstiger Berufsstand auf dem juristischen Bereich arbeitet so selbstbestimmt wie ein Rechtsanwalt. Ein Staatsanwalt ist weisungsabhängig. Der Richter hat die Fälle zu verhandeln, die ihm zugewiesen werden. Das Privileg, sich den Mandanten letzten Endes jedenfalls theoretisch auszusuchen, hat nur der Anwalt. Neben der sehr massiven Belastung, die viele Mandate mit sich bringen, kann es auch sehr bereichern und befriedigend sein, sich für die Rechte eines Einzelnen mit vollem Engagement einzusetzen. So ist oft der Verteidiger der noch einzige verbleibende Mensch, der sich vor den Mandanten stellt und sein Fürsprecher ist.
 
Justament: Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt:
Rechtsanwälte Wolfgang Reich & Georg Grimm, Klingerstraße 24, 60313 Frankfurt am Main

Über Martina Weber:
www.poetenladen.de/martina-weber-person.html

Veröffentlicht von on Jul 20th, 2009 und gespeichert unter KANZLEIREPORT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

1 Antwort for “„Der einzig verbleibende Fürsprecher“”

  1. […] Frankfurter Strafverteidiger Wolfgang Reich hat sich im Interview mit Justament genau dazu geäußert. Zu seinen Erfahrungen als Ausbilder von Referendaren, die in der […]

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