Nichts zu retten

Recht cineastisch, Teil 27: „Toni Erdmann“ von Maren Ade

Thomas Claer

toni erdmannDas Verhältnis von Eltern zu ihren erwachsenen Kindern ist oftmals heikel, was wohl bereits in der Grundkonstellation angelegt ist. Einerseits die Altvorderen, die ihre Zöglinge in jahrelanger engagierter pädagogischer Arbeit dem eigenen Bilde entsprechend geformt zu haben glauben, andererseits die mitunter völlig missratenen Produkte dieser Erziehung, die irgendwann eine eigene Persönlichkeit und einen eigenen – dem elterlichen nicht selten diametral entgegengesetzten – Willen entwickeln. Die große Kunst der Elterngeneration besteht dann darin, sich mit dem abweichenden Lebensweg ihrer Kinder abzufinden, ihren Frieden damit zu machen. Doch gibt es nun einmal für alles Grenzen, denn wie schlimm muss es für einen gestandenen Achtundsechziger-Vater, einen antiautoritären, friedens- und umweltbewegten Gymnasiallehrer, sein, wenn seine einzige Tochter so völlig auf die schiefe Bahn geraten ist und etwas geworden ist, was seine schlimmsten Befürchtungen noch weit übertroffen hat: Unternehmensberaterin in einer internationalen Consulting-Gesellschaft. Dies ist die Ausgangssituation in Maren Ades vielgerühmtem Film „Toni Erdmann“, der nach seinem triumphalen Auftritt in Cannes nun auch in den deutschen Kinos zu sehen ist.

Vielleicht hat man mit all den medialen Jubelorgien den Beteiligten gar keinen so großen Gefallen getan, denn es handelt sich letztlich doch nur um eine im Grunde harmlose Komödie, die allerdings hier und da ein paar sehr gelungene ironische Spitzen und darüber hinaus auch anrührende Momente enthält. Hier von einer „Rettung des deutschen Kinos“ zu sprechen ist aber schon deshalb übertrieben, weil es in den vergangenen Jahren nun wirklich eine ganze Reihe an hochwertigen deutschen Filmen gegeben hat, von denen wir auch in dieser Rubrik mehrere vorgestellt haben.

Was „Toni Erdmann“ dennoch besonders reizvoll macht, sind die tiefen Einblicke in das weitgehend freudlose Leben der „High Potentials“. Wer sich schon immer gefragt hat, was diese Spitzenverdiener in jenen obskuren Consulting-Firmen wohl den ganzen Tag so machen, der bekommt dies in Person der vom Ehrgeiz zerfressenen Ines (großartig gespielt von Sandra Hüller) nebst ihren Kolleginnen und Kollegen sehr anschaulich illustriert. Im Verlaufe des Filmes zeigt sich dann aber, dass Ines doch etwas vom Witz ihres Vaters mitbekommen hat – und beide kommen sich auf überraschende Weise menschlich näher.

Toni Erdmann
Deutschland 2016
Regie: Maren Ade
Drehbuch: Maren Ade
Darsteller: Sandra Hüller, Peter Simonischek, Thomas Loibl, Michael Wottenborn u.v.a.

Veröffentlicht von on Aug 8th, 2016 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT CINEASTISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

1 Antwort for “Nichts zu retten”

  1. Ich habe die Schauspielerin in einem anderen Film gesehen, der im Tübinger Studentenmilieu der 1960er Jahre spielt. Bis heute frage ich mich, worin die schauspielerische „Leistung“ der Dame bestehen soll, von der viele Kritiker reden… den neuen Film kenne ich nicht, möchte aber alle Kinogänger vor allzu hohen Erwartungen an das Oeuvre warnen… vielleicht sind die zehn Euro Kinogeld bei Mac Donald`s besser angelegt….

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