Zum Tod des Jura-Professors und CDU-Politikers Waldemar Schreckenberger. Ein persönlicher Rückblick
Thomas Claer
Das Wintersemester 2000/01 verbrachte ich in Speyer am Rhein. An der dortigen Hochschule für Verwaltungswissenschaften absolvierte ich die Verwaltungsstation meines Referendariats – und traf auf Waldemar Schreckenberger, der die Vorlesung „Recht – Politik – Öffentlichkeit“ leitete. Mir war sein Name gleich irgendwie bekannt vorgekommen. Und tatsächlich: Meine Recherche ergab, dass er tatsächlich der Schreckenberger war, der erste Kanzleramtschef unter Helmut Kohl und frühere Justizminister von Rheinland-Pfalz. In einem lustigen Lied von Georg Ringsgwandl, „Wuide unterwegs“, wird er namentlich erwähnt, was mir sofort wieder einfiel. Nun war die Vorlesung „Recht – Politik – Öffentlichkeit“ keine Pflichtveranstaltung, in der es relevante Scheine einzusammeln galt. Schon beim ersten Termin erklärte Prof. Schreckenberger, der in dem anhaltenden Gegrummel im überfüllten kleinen Seminarraum kaum zu verstehen war, dass künftig doch bitte nur noch diejenigen kommen sollten, die ein wirkliches Interesse am Thema mitbrächten. Beim nächsten Mal waren es dann nur noch fünf oder sechs Teilnehmer – aber die blieben bis zum Ende des Semesters, und glücklicherweise war ich mit dabei! Von nun an glich die Veranstaltung nämlich einem lockeren Plausch, in dem „Schrecki“, wie er einst sogar vor laufenden Kameras von seinem Chef und einstigen Schulfreund Helmut Kohl genannt wurde, über seine bis 1989 währende Zeit in Bonn aus dem Nähkästchen plauderte. Das geschah freilich sehr gelehrt und mit gelegentlichen Ausflügen in die klassische Rechts- und Staatsphilosophie, zu Rousseau, Hobbes und Bodin. Vor allem aber erwies sich Waldemar Schreckenberger als ein glänzender Erzähler, der im kleinen Kreis eine pointierte Anekdote nach der anderen zum Besten gab. Besonders gefiel mir, dass er nichts von der trockenen Paragraphenreiterei hatte, wie sie anderen Professoren des Rechts so oft zu eigen war. Schreckenberger war ein brillanter politischer Kopf, der nicht umsonst den Ruf hatte, der strategische Denker an der Seite des Instinktpolitikers Helmut Kohl gewesen zu sein. Dass er nicht unbedingt meine bevorzugte politische Richtung vertrat, störte mich nicht im geringsten, zumal er sich als moderater Konservativer und als immer auf Ausgleich bedachter Fachmann präsentierte, der uns auch eine gehörige Portion Lebensklugheit mit auf den Weg gab. Sein Tipp für unser weiteres Leben (nicht nur) als Juristen lautete: „Wenn Sie wissen wollen, was Ihr Gegenüber wirklich denkt, und es empfiehlt sich eigentlich immer, das zu wissen, dann hören Sie nicht so sehr auf seine Worte, reden kann ja jeder schließlich Vieles, sondern schauen Sie ihm gerade ins Gesicht. Mit etwas Übung werden Sie bald erraten, was er denkt.“ Und im Hinblick auf den mittlerweile schon aberwitzig aufgeblähten Lernstoff fürs juristische Examen äußerte er die Hoffnung, dass sich dieses System der deutschen Juristenausbildung früher oder später von selbst ad absurdum führen werde. Was mir auch noch im Gedächtnis geblieben ist: Einmal drückte er uns gegenüber seine Befürchtung aus, für die Einführung des Privatfernsehens in Deutschland, an der er ganz maßgeblich mitgewirkt habe, irgendwann einmal in der Hölle schmoren zu müssen… Also für mich ist er eher ein Kandidat für den, spärlich gefüllten, Juristen-Himmel! Wie vor einigen Tagen bekannt wurde, ist Waldemar Schreckenberger schon am 4. August 87-jährig in Heidelberg gestorben.