Ein Klassiker der Grundgesetzkommentare wurde zum 14. Mal aufgelegt
Matthias Wiemers
Mit dem o. g. Slogan wirbt seit einiger Zeit der Verlag Wolters Kluwer, und nachdem die lang angekündigte Neuauflage dieses Klassikers nun kürzlich tatsächlich erschienen ist, ist der Verlag leider der Unart gefolgt, ihn mit dem Erscheinungsjahr 2018 zu versehen. Aber das ist ja inzwischen üblich geworden.
Der Kommentar schon immer ein Werk eher von Praktikern gewesen, begründet von den Ministerialbeamten aus der Finanzverwaltung Bruno Schmidt-Bleibtreu und Franz Klein. Während Klein, der später als Präsident des Bundesfinanzhofs wirkte, bereits vor vielen Jahren verstorben ist, wird Schmidt-Bleibtreu (geb. 1926) immer noch als Begründer aufgeführt. Herausgeber Hans Hofmann ist gegenwärtig Ministerialdirekter im Bundesministerium des Innern und Mitherausgeber Hans-Günter Henneke geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages. Beide Herausgeber sind Honorarprofessoren und insbesondere Henneke Autor zahlreicher Veröffentlichungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Die übrigen Bearbeiter des ursprünglich nur von den beiden Begründern bearbeiteten einbändigen Kommentars stammen aus der Anwaltschaft, aus der Ministerialverwaltung in Bonn und Berlin, aus der Gerichtsbarkeit, der Wirtschaft und nicht zuletzt aus der Wissenschaft.
Eine Besonderheit des Kommentars ist die knapp hundertseitige „Einleitung“ durch Axel Hopfauf, der auch die Präambel sowie einige wenige weitere Vorschriften des Kommentars bearbeitet hat. Diese Einleitung gliedert sich in eine Darstellung der verfassungspolitischen Entwicklungen seit 1945 (A.), die historische Entwicklung moderner Verfassungsstaatlichkeit (B) und „Das GG als Grundlage staatlicher Rechtsordnung“ (C.). Diese Einleitung mag zwar nicht unbedingt vom Praktiker herangezogen werden, aber wer sich als junger Jurist die Anschaffung eines GG-Kommentars überlegt, kann sich anhand der Einleitung gut auf mündliche Prüfungen vorbereiten, in denen Fragen nach der Entstehungsgeschichte der Verfassung immer noch gerne gestellt werden. Zudem gibt dieser Text einen ersten Überblick über die Wesensmerkmale der Verfassung, ihre Bedeutung für die gesamte Rechtsordnung und etwa ihren Schutz.
Die Darstellung der Artikel 19 und 20 durch Herausgeber Hofmann, die eher knapp ausgefallen ist, stellt dann teilweise eine Wiederholung der schon von Hopfauf dargestellten Prinzipien dar.
Sebastian Müller-Franken hat Artikel Vorbemerkungen vorangestellt, was als Einführung in die Grundrechte auch in anderen Kommentaren üblich ist und ein weiteres Argument für Nachwuchsjuristen zur Anschaffung des Bandes herangezogen werden kann.
Hofmann kommentiert die Menschenwürdegarantie und folgt hier der wohl h. M., wonach diese in Abs. 1 ein Grundrecht enthält. Aufgrund der Verklammerung mit Art. 2 Abs. 1 GG in Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts war es sicher sinnvoll, dass auch dieses Grundrecht von Hofmann kommentiert wurde. Es wird allerdings nicht – nach der Terminologie des BVerfG –als „Allgemeine Handlungsfreiheit“ bezeichnet, sondern als „Allgemeines Freiheitsrecht“ das auch Art. 2 Abs. 2 mit umfasst (Rdnr. 60 ff.), der freilich einen ganz anderen Gewährleistungsgehalt, nämlich das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat.
Die weiteren Grundrechtsbestimmungen werden zwar ebenfalls knapp kommentiert, jedoch folgen die Bearbeiter keineswegs immer dem BVerfG, sondern bringen auch kritische Stellungnahmen unter (s. etwa Kannengießer, Art. 9, Rdnr. 40 b zur Tarifeinheitsentscheidung des Gerichts).
Überhaupt ist der Praxisbezug des Kommentars sein großer Vorzug. Er ist besonders an den Themen der Gesetzgebung orientiert und enthält nicht etwa erst – im Anschluss an die systematische Erläuterung einer Norm – Einzelfälle aus der Praxis.
Auffällig ist auch das Eingehen auf den Einfluss der EU (s. etwa die Kommentierungen von Günther Krings, Art. 20a, Rdnr. 41, Art. 87c, Rdnr. 18 ff.).
Keine eindeutige Antwort finden wir auf eine Frage, die im politischen Berlin in der letzten Woche aufkam: ob nämlich auch ein geschäftsführender Minister entlassen werden kann. Arndt Uhle und Sebastian Müller-Franken, die sowohl Art. 64 als auch Art. 69 gemeinsam kommentiert haben, deuten die Lage nur an (Art. 64, Rdnr. 23 m. Hinweis auf Art. 69 Abs. 3). In der Tat kann man durchaus zu der Auffassung gelangen, dass ein Bundesminister, der aufgrund des Ersuchens von Bundeskanzler oder Bundespräsident sein Amt geschäftsführend weiterführt, nicht entlassen werden kann, weil er das Amt gar nicht mehr innehat.
Der großformative Kommentar ist mit rund 3500 Seiten nun derart angewachsen, dass man durchaus auf die Idee einer Teilung in zwei Bände kommen könnte, womit dann vielleicht die einzelnen Kommentierungen auch etwas übersichtlicher würden. Unterm Strich dürfte es aber für den Praktiker vorzugswürdiger sein, wenn der Kommentar nach wie vor regelmäßig wieder aufgelegt wird. Denn hier wird vornehmlich von Praktikern für Praktiker kommentiert, die längere Ausführungen im Fließtext, die nur jeweils durch ein abgesetztes und fett gedrucktes Stichwort eingeleitet werden, sicher gerne hinnehmen, wenn sie die für sie wichtige Informationen auch über die Hintergründe einer Regelung nur erhalten (s. etwa die Kommentierungen von Henneke, Art. 91 b und Kay Ruge, Art. 91 c).
Schmidt-Bleibtreu, Bruno/ Hofmann, Hans/ Henneke, Hans-Günter, GG Kommentar zum Grundgesetz, 14. Aufl., Köln 2018, 3457 S. 209 Euro (ISBN 9783452287670)