Midlifecrisis

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen

Liebes Tagebuch,

glaubt man einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen, dann ist hierzulande im Alter von 46 Jahren die Lebenszufriedenheit auf dem niedrigsten Stand. Nicht bei jedem und jeder, versteht sich, aber doch im Durchschnitt. Personen gerade dieses Alters fühlen sich offenbar häufiger unglücklich als andere. Nun würde all dies mich nicht sonderlich beunruhigen, wäre ich nicht selbst vor kurzem exakt 46 Jahre alt geworden. Angebracht ist also eine kritische Selbstbefragung: Fühle ich mich unglücklich?
Um dies fundiert beantworten zu können, sollte man sich erst einmal darüber klar werden, was es denn ist, das dem Glück so vieler Menschen dieses Alters im Wege steht. Ja, natürlich, man kann es sich denken: Mit Mitte 40 verläuft das Leben von Otto Normalverbraucher schon recht anstrengend. Beruflich hat man womöglich soeben den Gipfel erreicht oder steht kurz davor. Oder man hat gerade gezwungenermaßen die Branche gewechselt und muss sich erst wieder neu reinfinden, was einem aber weitaus schwerer fällt als damals mit Ende zwanzig. Die Kinder kommen vielleicht langsam ins schwierige Alter. Die Ehe kriselt unter dem Druck der externen Belastungen vor sich hin, wenn sie nicht bereits geschieden ist. Die eigenen Eltern werden pflegebedürftig, was erhebliche organisatorische Herausforderungen mit sich bringt, denn oft leben sie ja nicht vor Ort, sondern manchmal hunderte Kilometer weit entfernt. Kurz gesagt, in diesem Alter kann einem schon mal alles über den Kopf wachsen. Das einzig Gute ist, dass es in den Jahren danach, zumindest rein statistisch gesehen, nur noch aufwärts geht. Beruflich und finanziell hat man es dann idealerweise irgendwann geschafft und kann sich zurücklehnen. In der Partnerschaft klappt es wieder besser, wenn der Hund gestorben und die Kinder aus dem Haus sind. Und wenn dann die Eltern unter der Erde sind und eventuell noch ein auskömmliches Erbe hinterlassen haben, dann lässt es sich doch gleich wieder recht angenehm leben.
Nun liegen die Dinge bei manchen aber auch ganz anders. Wenn man beruflich zwar zunächst eine schwere Zeit hatte, sich später jedoch alles sehr entspannt hat; wenn man kinderlos geblieben ist, was man auch irgendwo bedauern könnte, was einem aber ganz bestimmt auch eine Menge Unbill erspart hat; wenn sich die Partnerschaft trotz mancher Aufs und Abs in langen Jahren als stabil erwiesen hat; wenn man alte Eltern hatte, unter deren hoher Erwartungshaltung man jahrzehntelang sehr gelitten hatte, die sich jedoch inzwischen in die ewigen Jagdgründe verabschiedet und einem sogar noch ein respektables Erbe hinterlassen haben, dann, ja dann sollte man sich auch im schwierigen Alter von 46 Jahren nicht beklagen und, wenn alle anderen jammern, am besten einfach mal die Klappe halten.

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Jan. 8th, 2018 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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