Gerichtsgedicht

Aus der Justament-Gedichtsanthologie: Zum 70. Geburtstag von Otto Waalkes

Hohes Gewicht,
liebe Geschwollenen,
Angenagter.

Angeklagter,
Ihnen wird zur Last gelegt, Sie hätten an dem Mast gesägt!

Ich hab nicht an dem Mast gesägt, ich hab nur mit dem Ast gefegt,
da hab ich mich mit Hast bewegt und das hat wohl den Gast erregt,
und der hat dann den Mast zerlegt!

Sie haben aber bei der polizeilichen Vernehmung ganz andere Angabe gemacht!
Ich zitiere wörtlich:

Ich habe diesen Gast zersägt, weil er sich auf den Quast gelegt,
doch wer gefälschten Zaster prägt und Schuh‘ aus Alabaster trägt,
verdient, dass ihn der Mast erschlägt!

Das haben sie doch gesagt!?
Herr Zeuge, können sie das bestätigen?

Nee, das das war ganz anders,
ich hatte mich zur Rast gelegt und mich mit einem Quast gepflegt,
und wer schon einmal Bast zersägt, der weiß, dass das keine Hast verträgt.

Das tut doch überhaupt nichts zur Sache!

Doch!
Da hat sich`s im Morast geregt, und das hat dann den Ast bewegt,
und wie der Ast aufs Pflaster schlägt, da hat er wohl den Gast erlegt!

Jetzt reicht`s aber!

Im Namen des Volkes,

wenn einer einen Gast zersägt, weil ihn ein Gymnasiast erregt,
der vor seinem Palast gefegt, dann wird die Tat mit Knast belegt!
Wenn er als Kontrast erwägt, dass er sein Geld zum Pastor trägt,
der auch den Wunsch nach Zaster hegt, dann wird das nicht mit Knast belegt!
Stattdessen wird der Mast zersägt und auf das Grab vom Gast gelegt!
Wem dieser Spruch nicht passt, der trägt die Kosten der Verfahrens,
gezeichnet Richter Ahrens, das hohe Gericht zieht sich zum Besäufnis zurück,

Das Urteil lautet: Freibier!

(1978)

Veröffentlicht von on Jul 23rd, 2018 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!