Justament-Gespräch mit Rechtsanwalt Matthias E. Wiegner, Namenspartner der Kanzlei Wiegner & Andreu (Madrid-Mallorca)
Matthias, wie bist du nach Madrid gekommen und warum hast du dich entschlossen, hier als Anwalt zu arbeiten?
Zunächst gab es eher persönliche Gründe, meine damalige Frau war Spanierin und ich war vom ersten Tag an hellauf begeistert von der Stadt. Ich war zum ersten Mal während meiner Wahlstation bei Cremades & Calvo Sotelo hier und davor nur auf den umliegenden spanischen Inseln. Die Stadt bietet sowohl in kultureller Hinsicht, kulinarisch als auch im punkto Weggehen viel – einfach eine super Stadt. Fest angefangen zu arbeiten habe ich hier im Dezember 1999 in der Kanzlei v. Carstenn-Lichterfelde & Asociados bis 2000. Und dann habe ich eine eigene Kanzlei aufgemacht und relativ schnell Federico kennengelernt – meinen jetzigen Partner der Kanzlei Wiegner & Andreu – und dann ging es auch schon los.
Hattest du bevor du nach Spanien gekommen bist bereits Kenntnisse des spanischen Rechts?
Keine. Das musste ich mir schrittweise erarbeiten. Die ersten Jahre hatte die forensische Arbeit eher Federico gemacht, ich war für den Bereich Akquise, Marketing und dafür, die deutschen Mandanten zu betreuen, zuständig. Wir sind auch noch mitunter in Deutschland tätig. Das heißt, wenn ein Spanier ein Problem in Deutschland hat, sind wir auch Ansprechpartner und etwa für die Verteidigung zuständig. Und in Bezug auf das spanische Recht lernt man recht schnell dazu, auch die Sprache. Seit 2004 bin ich auch Abogado, also auch in Spanien zugelassener Rechtsanwalt. Möglich war dies durch eine entsprechende EU-Richtlinie. Du musst als Rechtsanwalt in einem EU-Land bereits zugelassen sein und nach 3 Jahren nachgewiesener juristischer Tätigkeit kann man relativ einfach hierdurch eine entsprechende Zulassung beantragen.
Wie sieht der typische Kanzleialltag für dich aus?
Also wir sitzen hier nicht 8/9 Stunden und arbeiten von „sol a sol“ – wie man hier sagt – also von morgens bis abends, sondern aufgrund der Technologien kann man natürlich auch von überall aus arbeiten. Das heißt von zuhause auch mal Schriftsätze vorbereiten, Emails schreiben, Telefonate führen. Ich komme eher stundenweise in die Kanzlei, um zu sehen, was anliegt. Da wir viel Strafrecht machen, stehen natürlich auch des Öfteren Mandantenbesuche im Gefängnis an. Seit einem Jahr haben wir auch ein Büro auf Mallorca. Dort fällt also auch Arbeit an, schon allein, um den Markt dort zu erschließen. Mallorca bot sich da insbesondere wegen der deutschen, englischen und französischen Mandanten an. Dementsprechend reise ich viel und bin viel unterwegs.
Du hast gerade schon das Strafrecht angesprochen. Gibt es einen klaren Schwerpunkt der Kanzlei?
Wir haben angefangen mit Strafrecht, das war gewissermaßen Bedingung, um auf die Liste der deutschen Botschaft hier zu kommen, als ich angefangen habe. Den Schwerpunkt haben wir auch beibehalten. Fünfzig Prozent plus x aller unserer Fälle sind strafrechtlicher Natur. Größere Fälle in dieser Hinsicht hatten wir mit der hier ansässigen nigerianischen Mafia, dabei nicht als Verteidiger der Täter, sondern wir vertreten als Nebenkläger die Opfer, das sind regelmäßig keine Spanier, sondern etwa Deutsche oder Engländer. Hier gab es einen großen Fall, in den die Deutsche Bank España verwickelt war, und demnächst stehen noch zwei weitere an.
Welche Mandanten betreut ihr? Gibt es einen typischen Mandantenkreis und wie sieht es mit der Arbeitssprache aus?
Hauptklientel sind wohl immer noch Deutsche und Engländer. Daneben hatten wir aber Amerikaner, Franzosen, Mexikaner, Australier, Chinesen u.s.w., also es war schon fast alles dabei.
Hauptarbeitssprachen sind Spanisch, Deutsch und Englisch. Federico spricht außerdem Französisch. Die internationale Vielfalt ist gleichzeitig die Nische, die wir hier besetzen, denn viele spanische Abogados stehen immer noch mit der englischen Sprache auf Kriegsfuß. Das können wir für uns nutzen.
Hat sich seit den Anfängen viel verändert, insbesondere mit Blick auf europäische Regelungen?
Gravierender Einschnitt war natürlich die Einführung des europäischen Haftbefehls. Früher liefen regelmäßig langwierige Auslieferungsverfahren ab. Diese Fälle haben wir heute auch noch. Also ein Deutscher hat in Deutschland ein Problem, setzt sich an die Costa del Sol und denkt, alles wäre gut. Dem ist dann oft nicht so, und wir haben dann am Anfang relativ viele Auslieferungsverfahren betreut, die dann auch mehr als ein Jahr andauerten. Im Jahr 2004 wurde dann der europäische Haftbefehl eingeführt, der das Ganze sehr komprimiert hat und uns Anwälten fast gar keinen Spielraum mehr lässt. Die Entscheidungen gehen relativ schnell, es gibt wenige Rechtsmittelmöglichkeiten und die Überstellung erfolgt recht schnell.
Anders steht es um Länder, die dem europäischen Rechtsraum nicht angehören. Etwa China oder USA, hier gibt es immer noch komplexe Fälle. Angesichts des Brexits könnte es auch im Vereinigten Königreich bald eine ähnliche Situation geben, aber das bleibt abzuwarten. Es gibt viele Engländer in Spanien, also dementsprechend ist das Thema für uns sehr relevant.
Denkst du, es gibt viele Unterschiede zwischen deiner Arbeit hier in Spanien und der Arbeit der deutschen Kollegen in Deutschland?
Jeder ist unterschiedlich. Wir sind wahrscheinlich auch nicht die typische spanische Kanzlei. In vielen spanischen Kanzleien gibt es strikte Hierarchien. Und wir sind da ein wenig anders. Unsere Kanzlei geht eher in die Richtung „Boutique“, das heißt wir bedienen eher eine Nische auf dem Markt. Das gibt es wahrscheinlich auch in Deutschland. Einige meiner Freunde in Deutschland sind selbstständig. Da ist die Arbeit recht ähnlich. Andere arbeiten in großen Kanzleien, die sind teilweise eher amerikanisch organisiert, und da läuft es wieder ganz anders ab. Es kommt da wohl immer auf den Einzelfall und weniger auf das Land an.
Referendare und Praktikanten sind bei euch willkommen?
Jederzeit. Wir haben jetzt ja auch das Büro in Mallorca, wer Lust hat, dort einige Zeit zu verbringen und einen Einblick zu bekommen, der ist willkommen. Ansonsten natürlich hier in Madrid, wir sind da flexibel. Wir hatten im Laufe der Jahre an die siebzig Praktikanten und Referendare und hatten fast ausnahmslos ein gutes Verhältnis zu ihnen. Der Ablauf ist ganz unterschiedlich und abhängig von dem, was gerade so anfällt.
Was würdest du einem angehenden Juristen raten, der sich in Spanien selbstständig machen möchte? Irgendwelche Ratschläge?
Sprachen. Insbesondere natürlich Spanisch ist wichtig. Und wenn man mehr kann, umso besser. Und das führt auch zu Punkt zwei: die Nische. Such dir etwas, was du gut kannst, und sei nicht der tausendste Anwalt, der das Gleiche macht! Mach dir einen Namen und heb dich ab!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Justament-Autor Christian Meier.
Rechtsanwalt Matthias E. Wiegner ist Namenspartner der Kanzlei Wiegner & Andreu (Madrid- Mallorca), Studium der Rechtswissenschaft in Köln, Referendariat am OLG Aachen und seit 2000 Anwalt in Madrid.